Die Welt als Labyrinth

Werk

Die dunkle Seite der Kultur

Gegen Nationalsozialismus und Kommunismus gleichermaßen führte Gustav René Hocke ins Feld, wovon er bis zuletzt überzeugt war: das humanistische Denken. Noch zur Nazizeit, im Jahre 1937 veröffentlichte er mit Das geistige Paris ein Plädoyer für einen europäischen Humanismus und die deutsch-französische Aussöhnung. Schon damals sah er in Frieden und Wissenschaft, gemeinsam mit Louis Pasteur, den Weg zu einem besseren, vereinten Europa.

Seine Italienreise im Jahre 1937 gab den Anstoß zu Magna Graecia. Wanderungen durch das griechische Unteritalien (1939). Das Reisetagebuch beschreibt eine magische Landschaft voller Naturschönheiten und versunkener Kulturen: ein lebendiges Porträt der Heimat so bedeutender Menschen wie Pythagoras.

Schon als ihn die Kölnische Zeitung 1940 als Korrespondenten nach Rom schickte, sammelte Gustav René Hocke Material zu seinem ersten Roman Der tanzende Gott. In dem historischen Roman gelangt ein junger griechischer Arzt in die Mühlen einer Tyrannis – neben der spannenden Geschichte arbeitet Hocke hier die Erfahrung des Nazi-Terrors auf. Das Buch ist von der Kritik als eines der wichtigsten Schubladen-Manuskripte unter der NS-Diktatur bezeichnet worden – erscheinen konnte es nämlich erst 1948. Der tanzende Gott steht beispielhaft für die innere Emigration eines Schriftstellers.

Nach dem Krieg begannen in den Albaner Bergen die fruchtbarsten Jahre des Autors Gustav René Hocke: Was als Studie zur Kunstgeschichte der Spätrenaissance begann, wurde zum Kultbuch. Mit Die Welt als Labyrinth (1957) und Manierismus in der Literatur (1959) setzte er Meilensteine für die phantastische Kunst.

Neben dem gewaltigen Echo der Manierismus-Bücher übersieht man fast, dass Gustav René Hocke noch mehr Standardwerke geschrieben hat: Seine Europäischen Tagebücher (1963) sind die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung europäischer Tagebücher, von der Renaissance bis zur Gegenwart. Der Blick ins Innere von so bedeutenden Personen wie Christoph Kolumbus, Queen Victoria oder Gottfried Benn ist ein ebenso vielschichtiges wie intimes Abenteuer.

Im Jahr 1975 erschien Malerei der Gegenwart: Der Neomanierismus. Vom Surrealismus zur Meditation. In diesem beinahe ebenso elektrisierenden Buch wie „Die Welt als Labyrinth“ geht Hocke den Künstlern nach, die mehr ihrer subjektiven Vorstellungskraft vertrauen als der bloßen Nachahmung der Natur. Die phantastische und imaginäre Kunst geht von der Innenerfahrung aus, sie ist subjektiv. Idea-Kunst gibt es überall auf der Welt – das beweisen die Einzeldarstellungen, die von Ernst Fuchs bis Fernando Botero, von Fabrizio Clerici bis Elmar Hildebrand und vielen mehr reichen.

Selbst seine Memoiren Im Schatten des Leviathan hatten noch Jahrzehnte nach Gustav René Hockes Tod ein ansehnliches mediales Echo. Niklas Maak besprach das Werk ausführlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (16.3. 2005), als es 2004 von Dr. Detlef Haberland herausgegeben wurde. Ein wesentlicher Teil des 20. Jahrhunderts wird durch ihn als kritischen Beobachter lebendig, beschreibt buecher.de die Autobiografie. Einen Beobachter, der den Leviathan, das Monster im Labyrinth, fast ein Jahrhundert lang in vielen Gestalten erlebt hat.